Auswärts - Zum Werk von Christoph Wank
(von Florian Matzner)

Das Periskop aus einem Panzer des 2. Weltkriegs, bequem an der Schulter getragen als modische Umhängetasche - nicht die Liebhaberei einer Generation zu skurilen oder gefährlichen Militaria, die den Krieg nur vom Hörensagen durch die eigenen Eltern und aus den elegant geschnitten Bildern des Fernsehens kennt, sonder der Versuch eines jungen Künstlers, einer ursprünglich militärwissenschaftlichen Erfindung mit bemerkenswerten optischen Facetten eine andere "Benutzeroberfläche" zu geben: Ein Werkzeug zur Definition und Positionierung des eigenen Standpunktes, im buchstäblichen Sinne zur Korrektur des eigenen Blickpunktes, zur besseren Orientierung der eigenen Sichtweise. Isoliert aus seinem funktionalen und historischen Zusammenhang wird das Periskop zur "Tasche" - so der Titel des Werkes - mit außergewöhnlicher skulpturaler und visueller Qualität.

Ein Objekt, aber auch eine Situation, durch die Realität scheinbar klar definiert, ja geradezu banal, erhalten jedoch ihre Bestimmung und ihre Qualität immer nur durch den Kontext, in dem sie eingesetzt worden sind. Wird der (Be)nutzungszusammenhang aber verändert, zerstört oder neu definiert, so erhält dieser Gegenstand oder dieser Vorgang immer auch eine neue konzeptuelle und ästhetische Dimension: Christoph Wank geht es um die Sichtbarmachung des Außergewöhnlichen und Bemerkenswerten in der Welt des Banalen und Normalen, der Künstler sieht seine Aufgabe im Recycling des Alltags zur besseren Kunst.

Benutzt ein Passant des Jahres 2000 in einer bundesdeutschen Fußgängerzone ein Periskop aus einem Panzer des 2. Weltkrieges als Umhängetasche und werden somit Vergangenheit und Gegenwart zu einer neuen, anderen Realität transformiert, so hat der Künstler ebenso selbstverständliche die "Tote Kurstadt Bad Wörishofen" - wie er selbst formuliert hat - mit einem Sinnbild sportlicher Aktivität zu neuem Leben erweckt. In der Fußgängerzone sowie angrenzenden Parkanlagen, die von den Kurgästen für Spaziergänge und zur Entspannung genutzt werden - einem Ambiente, in dem die Zeit in der Tat stillzustehen scheint -, hat Christoph Wank die Ausmaße eines imaginären Fußballfeldes projektiert und sinnfälligerweise an dessen beiden Enden ein Tor installiert. Der Passant wird unversehens zum "Spielball" des Künstlers, wird er doch bei Bemerken des einen Fußballtores unbewußt auch das andere sehen wollen. Das bisherige ziellose Flanieren des Kurgastes wird zu einer ebenso spontanen wie bewußten Suche nach den Dimensionen von Raum und Zeit.

"Space is slow, time is fast" hat der amerikanische Künstler Vito Acconci einmal gesagt und mit diesem Gegensatzpaar ein sich komplementär ergänzendes Netzwerk beschrieben, in dem sich der Mensch als Individuum zwischen dem Zentrum und der Peripherie unserer Gesellschaft bewegt und zu orientieren sucht. Raum und Zeit als zentrale Faktoren menschlichen Seins bestimmten auch die Installation des Künstlers in der Städtischen Musikschule Kempten. Hier hatte Christoph Wank die großen Stellwände mit schwarzen Flächen versehen und damit einen Ausstellungsraum durch die Anbringung von monochromen Gemälden als Kunstraum definiert. Auf diesen schwarzen Flächen hat der Künstler anschließend Schneebälle geworfen, die nach der Phase des Schmelzens, Verlaufens und Trocknens zum Bestandteil der Bilder wurden. Eine ebenfalls installierte Videodokumentation in der Ausstellung rekonstruierte für den Besucher die Entstehung dieser "geworfenen Gegenstände". Der kurze Moment des Ballwerfens auf einer Fläche, das Zusammentreffen von langsamen Raum und schneller Zeit wird so in die Ewigkeit verlangsamt.

Dieses Motiv bewegt Christoph Wank auch zur Installation einer "Blitzanlage" in der Steiermark. An einer vielbefahrenen Straße plazierte der Künstler auf einer Wiese ein Objekt, das in Maß, Form und Material vorgibt, eine hier abgesetzte autonome Skulptur im öffentlichen Raum zu sein. Allerdings wurden die vorbeifahrenden Autos durch ein per Bewegungsmelder ausgelöstes Stroboskop in unregelmäßigen Abständen geblitzt, unabhängig von der Schnelligkeit des Fahrzeugs oder eines anderen möglichen Vergehens im Straßenverkehr. Eine Blitzanlage ohne teuren Strafzettel oder Punkte in Flensburg, Schneebälle in einer Kunstausstellung als Bestandteil einer Gemäldeproduktion - Christoph Wank schärft den abgestumpften Blick des Passanten für die Möglichkeiten des Unmöglichen und erfüllt sich und anderen deshalb sogar Kindheitsphantasien: Bei einem Wettbewerb in Oberstdorf hat er das Modell eines "Schneeball-Automaten" entworfen, der in seiner Grundform einem Parkschein- oder Fahrkartenautomaten entspricht und es Erwachsenen wie Kindern erlaubt, nach Einwurf eines Geldstücks eine erfrischende Schneeballschlacht im schwülen Hochsommer zu veranstalten. Die Natur ist durch den Menschen in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur ausverkauft worden, sondern sie ist inzwischen sogar gegen bare Münze für jedermann jederzeit käuflich!

Heimliche Ironie ist sicherlich ein anderer wichtiger Aspekt im Werk von Christoph Wank, wenn er neben der Einrichtung von Schneeball-Automaten in Fußgängerzonen und Naherholungsgebieten, einem Freischwimmbad in Niederösterreich zu Skulpturen erstarrte Radiorecorder spendiert, die - positioniert auf der Wasseroberfläche des Freibades und auf den Rasenflächen der angrenzenden Liegewiesen - ein selbstverständliches Stück westlicher Freizeitkultur zu einer zwanghaften, unauslöschlichen Handlung stilisiert: Das Plärren eines Radios als selbstverständlicher Bestandteil der Geräuschkulisse eines Freibades wird zu einer Horrorvision, spielten die installierten Radiorecorder doch offensichtlich ohne menschliches Zutun, schalteten sie sich nach Belieben an und aus und stotterten oder unterhielten die in ihrer Nähe schwimmenden oder sich sonnenden Besucher: Der Mensch wird zur Marionette seiner selbst, die Freiheit zum Zwang, der "Radiowalk" - so der Titel der Arbeit - zur Fahrt ins eigenen Ego.

Der Mensch im Spannungsfeld zwischen Natur und Technik, ihrer Nutzung und Beherrschung auf der einen und ihrer Gefahr und Zerstörung auf der anderen Seite, die Schnittstelle zwischen Chance und Risiko, der Grenzgang zwischen Ordnung und Chaos interessiert Christoph Wank, wenn er immer häufiger mit zahlreichen Arbeiten nicht nur in den sogenannten öffentlichen Raum, sonder konkret in die Natur und Landschaft geht. Im Botanischen Garten in München hat er deshalb mit der Installation "Outback" dem banalen Vogelhäuschen ein denkwürdiges Monument gesetzt: An einem Holzmast sind zahlreiche solcher kleinen Rückzugsorte für gestreßte Vögel angebracht, die allerdings aus transparentem Plexiglas gefertigt worden sind - das Motiv des Verschließens, des Versteckens, des Alleinseins wird verdreht in das Gegenteil des Offenlegens, ja geradezu des Zurschaustellens. Intimität und Individualität zum festen Bestandteil öffentlicher Schaulust, das Opfer zum Täter stilisiert. Sind es im "Outback" aber nur (!) Vögel, so rückt in der Architektur-Skulptur "Standpunkt" der Mensch selbst in den Mittelpunkt des Geschehens. In der Nähe von Regensburg hat der Künstler in einem Naturschutzgebiet einen kleinen Pavillon errichtet, dessen querrechteckige Fensteröffnungen dem Besucher ein festgelegtes Panorama auf die umgebende Landschaft bieten: Gleich dem Bühnenprospekt des Theaters wird der Blick des Betrachters gelenkt, gerichtet, geradezu inszeniert, das Naturerlebnis des Wanderers zu einem - schlechten? - Film, denn Objekt und Subjekt haben hier unversehens ihre Rollen vertauscht.

Die Sichtbarmachung, ja Inszenierung der Natur und ihrer Vorgänge bestimmte auch die in einem antiken Römerkastell errichtete "Wasserleitung", bei der durch einen einfachen technischen Trick für den Betrachter nicht klar war, woher das Wasser kommt, das aus dem einen Ende der Leitung in ein Becken plätschert. Ebenso unerklärlich - jedenfalls nicht beweisbar mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand - bleibt für den Passanten in Marktoberdorf das fiktive Bauvorhaben "Landeplatz der Engel", wenn er auf einer Rasenfläche zwei große Plakatwände bemerkt, die mit computergenerierten Abbildungen die Errichtung eben jener Start- und Landebahn für außerirdische Wesen ankündigen. Doch die Fiktion ist Realität geworden, denn an genau dieser Stelle ist in der Tat aus aufgeschichteten Betonscheiben eine gestufte Pyramide - bekrönt von einem einzelnen Baum - angelegt worden, die zumindest Kinder gern erklettern, um die Ankunft der Engel sehnsuchtsvoll zu erwarten, denn Christoph Wank spürt dem Leben der Dinge nach, um den Menschen ihr Leben bewußt zu machen, vielleicht aus deshalb - wie die slowenische Künstlerin Marjetica Potrc einmal formuliert hat -, da "wir gern die Wirklichkeit sublimieren, oder nicht? Es ist nicht das Wirkliche, was da ist - da ist, was wir für das Wirkliche halten".

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